Incredible Bratwurst …
… und andere Neuheiten aus der Abteilung Alternative Meat. Auf eine flexitarische Grillsaison! Von Peter Erik Hillenbach
Selbstverständlich wird überall in Deutschland noch echtes Fleisch gegrillt. Ob auf der privaten Gartenterrasse oder eben in der Gastronomie. Die Zeit des Corona-Lockdowns hat jedoch viele Verbraucher und auch Küchenchefs dazu gebracht, die Lieferketten unserer Lebensmittel zu hinterfragen und sich bewusst zu machen, woher etwa unser Fleisch eigentlich kommt. Fälle wie „Westfleisch“ oder gar „Tönnies“ haben diese Entwicklung noch einmal stark beschleunigt, Kunden wie Gäste interessieren sich nun eher, was Fleisch wirklich „wert“ ist.
Zwei Strategien scheinen sich durchzusetzen, um dem fragwürdigen Billigfleisch zu entkommen: Entweder kauft oder bestellt man hochwertiges Fleisch aus ökologisch einwandfreier, möglichst regionaler Erzeugung – siehe unsere Reportage vom Biohof Land.Luft – oder man wendet sich Alternativen zu, die den altmodischen Namen „Fleischersatzprodukte“ nicht mehr verdienen, weil sie sehr zeitgemäße Bedürfnisse befriedigen.
Die Wut der Fleischliebhaber gilt dem Fake-Fleisch
Internationale Food-Riesen und engagierte Start-ups gleichermaßen haben den Braten längst gerochen. Während „Clean Meat“, also im Labor erzeugtes Fleisch, vorerst nur die Herzen der Investoren höherschlagen lässt, ist „Alternative Meat“ bereits auf breiter Linie im Alltag angekommen. Entsprechende Produkte verschiedener Hersteller gibt es beim Discounter, aber auch auf der Speisekarte von Burgerketten und Systemgastronomien. Nicht unumstritten selbstverständlich: In den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke toben erstaunlicherweise nach wie vor die Grabenkämpfe zwischen Fleischverfechtern und Fleischverächtern. Die besondere Wut der Fleischliebhaber gilt dabei dem „Fake-Fleisch“, das nur so aussieht und so tut, als ob. Und wenn andererseits Sarah Wiener auf ihrer Facebookseite darauf hinweist, dass hochverarbeitete vegane Ersatzprodukte keine ökologisch sinnvolle Alternative darstellen, bricht erst recht ein veganer Shitstorm über die Köchin, Landwirtin und EU-Grünen-Politikerin herein.
Ganz wertneutral nun sechs Foodservice-Unternehmen mit ihren pflanzenbasierten Würsten und Burgern für die flexitarische Grillsaison:
Beyond Meat
Fleisch aus Pflanzen herzustellen ist die Mission von Beyond Meat, einem der am schnellsten wachsenden börsennotierten Lebensmittelunternehmen in den USA. Bereits der Beyond Meat Burger galt als überaus erfolgreiche Markteinführung und richtete sich weniger an die zahlenmäßig unbedeutende Gruppe der Vegetarier und Veganer, sondern vor allem an Flexitarier, die ihren Fleischkonsum verringern wollen. Auf der Anuga im letzten Oktober stellte der Hersteller die neue Beyond Sausage vor, eine aus Erbsen, Faberbohnen, Reis und Kokosöl komponierte Wurst mit einer Pelle aus Algen. Soja- und glutenfrei, koscher und dank viel pflanzlichem Eiweiß proteinreicher als ein tierisches Würstchen. // www.beyondmeat.com
Garden Gourmet
Nestlé Professional war mit seinen Pattys der Linie Garden Gourmet Incredible Burger ja schon vor einem Jahr Bestandteil der veganen Burger von McDonald’s. Seit diesem März bietet auch die Restaurantkette Sausalitos das fleischfreie Patty deutschlandweit in ihren Filialen an. Zur ausgefallenen diesjährigen Internorga hätte das Unternehmen neben Incredible Burger und Veganes Hack auch die neue Incredible Bratwurst vorgestellt, laut Hersteller „ein echter Gamechanger“ in der Flexitarier-Range. Zitat: „Schmeckt wie Fleisch, sieht aus wie Fleisch und ist dabei komplett pflanzlich.“ // www.nestleprofessional.de
Herrmann
Der Kräuterseitling, also ein vitaminreicher Austernpilz und ohnehin als „Fleisch des Waldes“ bekannt, bildet die Grundlage für eine besondere Fleischalternative. Seit 2016 stellen Hermann und Thomas Neuburger Fleischersatz- und Fleischimitatprodukte ohne Zusatzstoffe und aus biologischen Zutaten wie Reis, Öl, Hühnerei-Eiweiß und Gewürzen her. Selbst die Verpackung ist seit April 2020 recyclingfähig. Neben Rostbratwürstchen, Käsebratwurst oder Bratstreifen gibt es seit diesem Jahr auch Hack und Schnitzel im Portfolio. // www.hermann.bio
Moving Mountains
Auf der Intergastra stand Simeon Van der Molen noch höchstpersönlich am Stand und ließ die Messebesucher von seinen pflanzenbasierten Fleischalternativen kosten. Der zum Veganer gewordene Food-Tech-Unternehmer gründete Moving Mountains erst im Februar 2019 nach einiger Vorarbeit. Nach dem Moving Mountains Burger traute sich der Gründer an die urdeutsche Moving Mountains Bratwurst aus Austernpilzen, Soja- und Erbsenproteinen, Roter Bete und Hafer heran, die dank knackiger Hülle einer „echten“ Bratwurst zum Verwechseln ähnlich schmeckt. Ebenso der Moving Mountains Hot Dog. Hauptzutaten sind Sonnenblumenkerne, Karotten, Zwiebeln und Kokosöl, Raucharoma und Texturen. // www.movingmountainsfoods.com
Transgourmet
Unter der Eigenmarke Transgourmet Quality bietet Transgourmet ab Juni vegane Burger-Pattys auf Sonnenblumenprotein-Basis. Der Lebensmittelgroßhändler bedient mit dem würzig-saftigen Patty die steigende Nachfrage nach veganen Produkten und setzt auf den nachhaltigen Ernährungstrend in Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Laut Hersteller verhält sich das Produkt dank Roter Bete, Zwiebeln und Gewürzen vom rohen Zustand bis auf den Teller „wie sein Vorbild aus Fleisch“. Zielgruppe sind Vegetarier, Veganer und Flexitarier sowie Fleischliebhaber, die gerne eine pflanzliche Alternative probieren wollen. // shop.transgourmet.de
Unilever Food Solutions
Kooperationen zwischen Food-Herstellern und Burgerketten sind üblich; so führte die Unilever-Marke The Vegetarian Butcher bereits im vergangenen November gemeinsam mit Burger King den fleischfreien Rebel Whopper in über 25 Ländern in Europa ein. Der Niederländer Jaap Korteweg, der tatsächlich 2010 die erste vegetarische Metzgerei in Den Haag eröffnete, gründete The Vegetarian Butcher. UFS kaufte die Marke 2018 und vertreibt seitdem pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte von Gehacktem über Chicken Nuggets bis zum Burger-Patty. Im Interview mit ECO BEACH sagte UFS-Manager Harm van Tongeren im Frühjahr: „Die Range von The Vegetarian Butcher haben wir Mitte April mit drei weiteren Produkten ausgebaut, vegetarische Hackbällchen und Bratwurst sowie veganer Chicken Burgerpatty, um damit weitere relevante Gerichte unterstützen zu können.“ // www.ufs.com
Dieser Beitrag erschien zuerst in Ausgabe 2.2020 des Fachmagazins gastrotel.
Fotos: Die genannten Unternehmen; Matthieu Joannon/Unsplash
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Harm van Tongeren, Managing Director Unilever Food Solutions DACH, über die Lage der Gastronomie „nach Corona“, pflanzenbasierte Produkte von The Vegetarian Butcher und das neue Foods Innovation Centre im niederländischen Wageningen.
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