„Wir brauchen eine grundlegende Umstellung des Ernährungssystems“

Harm van Tongeren, Managing Director Unilever Food Solutions DACH, über die Lage der Gastronomie „nach Corona“, pflanzenbasierte Produkte von The Vegetarian Butcher und das neue Foods Innovation Centre im niederländischen Wageningen.

Der globale Lebensmittelgigant Unilever mit Sitz in Rotterdam unterhält eine Professional-Sparte für das Gastgewerbe, also etwa für Küchenchefs in Großküchen. Unilever Food Solutions (UFS) vereint Marken wie Knorr Professional, Hellmann’s, Lipton, Lukull, Phase Professional, Carte D’Or oder The Vegetarian Butcher – im Aufmacherfoto sieht man Jaap Korteweg, den Gründer der letztgenannten Marke. Seit etlichen Jahren bemüht sich das Unternehmen in seiner Professional Line um nachhaltige Erzeugung – und investierte außerdem in ein neues Forschungszentrum, in dem man sich mit den Ernährungsfragen der Zukunft beschäftigt. Harm van Tongeren, der für den deutschsprachigen Raum verantwortliche Manager bei UFS, sieht einen anhaltenden Trend zum flexitarischen Lifestyle – und hat den Klimawandel im Blick. Interview: Peter Erik Hillenbach

Harm van Tongeren Mijnheer van Tongeren, die Produktion bei Unilever lief während der Corona-Krise annähernd normal bei Ihnen, Kurzarbeit war für Ihr Unternehmen kein Thema. Wird sich die Situation bei Food-Anbietern wie Ihnen sofort nach Öffnung der Restaurants wieder komplett normalisieren?

Wir sehen ganz klar, dass sich nach Corona einiges im Food-Bereich ändern wird. Die Betriebe müssen unter den geänderten Rahmenbedingungen die Food-Prozesse effizient angehen, was Ressourcen, Kosten und Lagerhaltung angeht. Folglich wird die Normalisierung Zeit benötigen und es werden unterschiedliche Phasen der Anpassung anstehen. Aus unserer Sicht werden eine gesunde, ausgewogene Ernährung sowie Regionalität und Saisonalität in Zukunft noch wichtiger sein. Die jetzige Zeit wird aber auch Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen der Gastronomien haben, die wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen können: Wie viele Gastronomien wird es nach der Krise noch geben? Wie wird der Betrieb unter Einschränkungen weitergeführt? Setzen sich neue Angebotsformen durch? Wie werden sich die Preise für Lebensmittel entwickeln? Wie werden die Gehälter für Köche, Gastronomen und Service-Personal zukünftig aussehen? Auf alle diese Fragen wird es vermutlich erst nach Corona Antworten geben.

Wie steht es um den Launch von Neuprodukten, konkret um neue Produkte von The Vegetarian Butcher, die Sie für 2020 angekündigt haben?

Wir haben Ende letzten Jahres fünf Produkte von The Vegetarian Butcher gelauncht. Diese kommen auch sehr gut bei unseren Kunden an, da diese gemerkt haben, dass immer mehr und mehr Gäste nach fleischlosen Gerichten beziehungsweise nach Fleischersatz fragen. Die Range von The Vegetarian Butcher haben wir Mitte April mit drei weiteren Produkten ausgebaut, vegetarische Hackbällchen und Bratwurst sowie veganer Chicken Burgerpatty, um damit weitere relevante Gerichte unterstützen zu können.

Bislang haben Sie hier mit der Systemgastronomie, namentlich Burger King, kooperiert. Mit welchen Argumenten wollen Sie künftig das Sortiment von The Vegetarian Butcher auch in der inhabergeführten Gastronomie kommunizieren und vermarkten?

Bereits zum Jahresbeginn 2020 haben wir angefangen, The Vegetarian Butcher auch an inhabergeführte Restaurants zu kommunizieren und haben hier viel positives Feedback erhalten. Das heißt: Unsere Qualität, der fleischähnliche Geschmack sowie Textur und Konsistenz überzeugen. Unsere Produkte sind für die beliebtesten Gerichte einsetzbar und in der Kombination mit unserem UFS-Sortiment erhält der Gastronom alles aus einer Hand. Der Trend zum Flexitarismus wird weiter zunehmen und die Gäste wünschen sich entsprechende Angebote auf der Speisekarte. Das werden wir auch in der Zeit nach Corona weiterführen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Gastgewerbes nach Corona? Denken Sie, dass Nachhaltigkeit, Regionalität und pflanzenbasierte Produkte eine größere Stellung einnehmen werden?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer zu sagen, worauf sich Gäste und Konsumenten in der Zeit nach Corona fokussieren werden. Aus unserer Sicht wird eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit weniger Fleisch und dafür mehr pflanzenbasierten Produkten immer wichtiger werden, um so den Körper und das Immunsystem zu stärken. Dies wird durch regionale, saisonale und nachhaltige Produkte unterstützt.

Die Niederlande sind neben Israel, den USA und dem UK führend in der Forschung in Sachen „Fleisch aus dem Labor“. Was halten Sie von Clean Meat? Wird es in einigen Jahren eine entsprechende Unilever-Range geben?

Wir freuen uns bereits sehr über den positiven Zuspruch und erfolgreichen Marktlaunch der veganen und vegetarischen The Vegetarian Butcher-Produkte. Natürlich berücksichtigen wir jegliche Innovationstrends im Bereich der Fleischersatzprodukte für unser Portfolio. Clean Meat ist ein sehr interessanter und völlig anderer Ansatz, der zur Zeit noch in den Kinderschuhen steckt. Die Konsistenz und der Biss der Produkte sind „echtem“ Fleisch schon sehr nahe. Jedoch ist auf Seiten des Geschmacks und der Wettbewerbsfähigkeit noch einiges zu verbessern. In jedem Fall müssen auch beim Clean Meat der Geschmack und die Konsistenz im Vordergrund stehen, damit Fleischliebhaber und damit auch The Vegetarian Butcher problemlos umsteigen können.

Im Dezember haben Sie Ihr globales Foods Innovation Centre namens Hive in Wageningen eröffnet. Unilever will hier zu Fleischalternativen, pflanzlichen Inhaltsstoffen und effizienten Nutzpflanzen forschen – und die Lebensmittelindustrie in ein gesundes und nachhaltiges System verwandeln. Nimmt man Ihnen diese hohen Ansprüche ab?

Mit der Eröffnung des globalen Foods Innovation Centre in Wageningen wollen wir die Forschung im Gebiet der gesunden und nachhaltigen Ernährung vorantreiben und Innovationen fördern, die besser für den Menschen und für unseren Planeten sind. Unilever hat es sich zum Ziel gemacht, Nachhaltigkeit lebbar zu machen. Dazu gehört auch die nachhaltige und nahrhafte Ernährung. Damit auch zukünftig die mehr als sieben Milliarden Menschen weltweit gut ernährt werden können, brauchen wir eine grundlegende Umgestaltung des Ernährungssystems. Nur dadurch können Probleme wie Unterernährung, Fettleibigkeit, Klimawandel und Lebensmittelabfälle angegangen und reduziert werden. Das sind der Tat hohe Ansprüche – wir sind uns aber sicher, dass dies der richtige Weg ist, sie in kleinen Schritten anzugehen und dass das Hive der richtige Ort dafür ist.

www.unileverfoodsolutions.de

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