Die Winzer: Gewinner der Klimaveränderung
In Teil 3 unseres dreiteiligen Interviews mit dem Journalisten Manfred Kriener widmen wir uns zum Abschluss einigen wichtigen Genussprodukten – Fisch, Wein und Bier. Spoiler: Der Autor von „Leckerland ist abgebrannt“ rät zu zweit Tagen Alkoholabstinenz pro Woche. Von Christian Caravante
Wildfisch oder Zuchtfisch? Da passt die Standardantwort der Steuerberater: Kommt drauf an. Was ist aus Ihrer Sicht das Hauptproblem unseres Fischkonsums?
Hauptproblem sind die teilweise überfischten Meere. Jahrzehnte lang wurde keine Rücksicht auf Nachhaltigkeit genommen. Mit immer besserer Technologie konnte man auch noch den letzten Rotbarsch aus der Tiefsee fischen. Vorbei! Langsam wird die Fischerei in Richtung Nachhaltigkeit gesteuert. Das Paradigma des ewigen Wachstums funktioniert beim Fisch nicht mehr. Seit fast 30 Jahren stagnieren die Wildfänge. Mehr als, großzügig gerechnet, 100 Millionen Tonnen, geben die Ozeane einfach nicht her. Fisch aus Aquakultur ist immer dann problematisch, wenn Raubfische gehalten werden und das Futter wiederum große Mengen Fisch enthält. Oder wenn, wie beim Lachs, immer mehr Soja verfüttert wird.
Das einzige Produkt, dass in Ihrem Buch sehr gut wegkommt, ist der Wein – bis auf den oft zu teuren oder mit Spritzmitteln belasteten Bordeaux. Klar, das teilweise schon groteske Getexte und Gerede über Wein nervt und Alkohol ist immer noch ein Zellgift. Aber sonst? Weitertrinken?
Generell gilt: Die meisten trinken zu viel. Wirklich moderater Alkoholgenuss ist offenbar schwer einzuhalten. Die von der Ernährungswissenschaft empfohlenen Mengen sind erstaunlich niedrig. Da ist man mit einem „Viertele“ schon im roten Bereich. Wichtig sind Erholungsphasen für Leber und Kopf, also zwei Tage die Woche ganz ohne Alkohol. Wer das einhält, kann eher mal über die Stränge schlagen.
Die Weinwelt muss sich mit dem Klimawandel beschäftigen. Tut sie das schon?
Ihr bleibt gar nichts anderes übrig. Künstliche Bewässerung ist ein Riesenthema geworden in fast allen Anbaugebieten. Das Management im Weinberg sieht heute ganz anders aus. Die Trauben müssen vor Sonnenbrand geschützt werden, die Mostgewichte dürfen nicht zu hoch sein, es muss sehr viel früher gelesen werden, manchmal sogar nachts oder in den frühen Morgenstunden, damit die Frische erhalten bleibt. Die heutigen Winzer haben mit dem Regime ihrer Großväter kaum noch Gemeinsamkeiten. Gleichwohl sind die Winzer – noch! – ein Gewinner der Klimaveränderung.
Und von einem Dortmunder die Schlussfrage: Warum fehlt das Bier in Ihrem Buch? Gibt es auch als Bioprodukt, existiert seit Jahrhunderten fast ohne Skandale und in den vergangenen fünf Jahren mit wachsender Vielfalt jenseits von Großbrauereien.
Es gibt kein eigenes Kapitel zum Bier, das stimmt. Aber ich habe die neuen Craftbiere und die neu entstandene Bierkultur gleich im ersten Kapitel ausdrücklich gelobt. Auch als Weintrinker bin ich immer wieder begeistert, wenn ich die teilweise wirklich großartigen Craftbiere probiere, die eine neue Geschmackswelt öffnen. Bier war für mich immer bitter, herb, plump und gleichförmig im Geschmack. Bei den Craftbieren sind schon die Farben ganz anders. Eines meiner Lieblingslokale hier in Berlin hat 20 verschiedene Craftbiere am Hahn und 78 weitere in der Flasche. Eine großartige Vielfalt.
Manfred Kriener in der Textetage
Serie in drei Teilen. Hier lesen Sie Teil 1, Teil 2.
Foto Kriener: Pixelmann, Foto Wein: NickyPe/Pixabay
LECKERLAND IST ABGEBRANNT
Es geht um Ernährungslügen und den rasanten Wandel der Esskultur: Manfred Kriener versteht sein neues Buch „Leckerland ist abgebrannt“ als Sparringspartner für nachdenkliche Verbraucher. Weil heutzutage zwar pausenlos über Ernährung geredet und geschrieben wird, es aber leider allzu häufig an Wissen und Beurteilungsvermögen fehlt, tut ein flott und humorig geschriebenes, höchst informatives Sachbuch ohne den Sirenenton der Alarmisten richtig gut.
238 Seiten, mit einem Vorwort von Vincent Klink, 18 Euro, www.hirzel.de
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