„Wir nehmen das Thema Nachhaltigkeit ernst!“

Andrea Belegante, Hauptgeschäftsführerin Bundesverband der Systemgastronomie, zu Regionalität, Tierwohl und sozialer Verantwortung

Die Corona-Krise wirkt weit in die Gastronomie und auch in die Systemgastronomie hinein. Sie trifft auch die Unternehmen, die im Bundesverband der Systemgastronomie e.V. (BdS) organisiert sind. Dessen Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante hat sich als Verhandlungsführerin bereits Mitte März mit der Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten (NGG) auf eine rückwirkende Ermöglichung von Kurzarbeit zum 1. März geeinigt. Mit Andrea Belegante sprach Peter Erik Hillenbach

Frau Belegante, was konnten Sie sonst für Ihre Mitgliedsbetriebe tun?

Die Einigung auf eine tarifliche Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit war ein Meilenstein. Unsere Branche ist hier in Vorleistung gegangen und hat Verantwortungsbewusstsein für über 830 Mitgliedsunternehmen und mehr als 120.000 Beschäftigte demonstriert. In Rekordzeit ist es uns gelungen, eine rechtliche Grundlage für unsere Mitglieder zu schaffen, die die Kurzarbeit überhaupt erst ermöglicht hat und somit konkret und passgenau unseren Mitgliedsunternehmen jetzt in der Krise hilft. Darüber hinaus stehen wir den Mitgliedern quasi rund um die Uhr für arbeitsrechtliche Beratung und Begleitung durch diese für uns alle komplett neue und extreme Situation zur Seite.

Ein weiterer Baustein unserer Arbeit ist es, die politischen Entscheider auf die Besonderheiten und aktuellen Herausforderungen der Systemgastronomie-Branche aufmerksam zu machen und damit die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu unterstützen. Beispielsweise sind im Zuge der Corona-Krise die Offenhaltung von Drive-Ins oder To-Go- und Delivery-Angeboten ganz wichtige Aspekte und sie belegen unsere Funktion als wichtiges Glied in der Lebensmittelversorgungskette.

Wie alarmierend ist für die Insolvenz zweier großer Gastronomieketten – Vapiano und Maredo – im Monat März? Befürchten Sie, dass weitere Player in Ihrem Branchensegment aufgeben müssen?

Insolvenzen sind natürlich immer ein schmerzhaftes Ereignis, für das Unternehmen und für die Mitarbeiter. Insbesondere dann, wenn – wie in diesem Fall unser Mitglied Vapiano – das Unternehmen gerade dabei war, sich aus schweren Zeiten herauszuarbeiten. Die weitere Entwicklung ist schlicht nicht vorhersehbar. Deshalb kann ich nicht ausschließen, dass weitere Player einen ähnlich schweren Weg gehen müssen. Kein Gastronom kann es lange aushalten, wenn er keine Gäste empfangen darf. Hier sind die Unterstützungs- und Finanzhilfen der Bundesregierung und der Länder ein enorm wichtiges Instrument.

Allerdings darf man aus dieser extremen, noch nie dagewesenen Krise und den genannten Insolvenzen nicht darauf schließen, dass die Systemgastronomie allgemein instabil oder nicht für die Zukunft gerüstet wäre. Ich würde sagen, das Gegenteil ist der Fall. Vor der Krise haben unsere BdS-Mitgliedsunternehmen in den letzten Jahren über 10.000 Menschen eingestellt und ihnen damit berufliche Chancen eröffnet. Sie haben unter anderem in Mitarbeiter, Digitalisierung, Innovationen, Service und Produktentwicklungen investiert. Das sind gute Vorzeichen, um nach der Krise schnell wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden.

Der BdS nennt die Systemgastronomie „die Branche der Chancen“. Wie nutzen Sie diese starke Aussage für die Akquise und Ausbildung von Fachkräften?

„Branche der Chancen“ ist keine leere Floskel. Jeden Tag füllen unsere Mitgliedsunternehmen diesen Slogan mit Leben, mit konkretem Inhalt. Wir beschäftigten Menschen aus über 120 Nationen. Allein in den letzten Jahren haben wir über 5.000 Menschen mit Fluchthintergrund eingestellt. Viele davon kommen mit kaum vorhandenen Deutschkenntnissen zu uns. Oder junge Menschen, die vielleicht den Schulabschluss nicht oder nicht mit Bestnoten geschafft haben. Es gibt mit Sicherheit in jedem Restaurant mindestens diese eine „Cinderella-Story“. Geschichten von Menschen, die durch den Job bei unseren Mitgliedern eine eigene Karriere gestartet haben, aufgestiegen sind und sich ihre Träume erfüllen konnten. Das macht die Systemgastronomie aus. Das ist die Branche der Chancen!

Nachhaltigkeit war die durchgehende Eigenschaft der drei Nominierten beim letztjährigen Deutschen Systemgastronomie-Preis. Zählen wir auch Themen wie Ressourcenmanagement, Tierwohl, soziale Verantwortung dazu: Können größere Player größere Ziele umsetzen als „nette Start-ups“ mit ihren Forderungen?

Das Thema Nachhaltigkeit/Corporate Social Responsibility (CSR) ist so komplex und so umfassend, dass alle Akteure gefragt sind. Große wie kleine. Politik, Medien, Wissenschaft und Verbraucher ebenfalls! Große Player haben vielleicht den Vorteil, dass, wenn eine Entscheidung gefallen ist, diese relativ schnell und großflächig ausgerollt werden kann und somit eine breite Basis erreicht. „Kleine“ Unternehmen können dafür in der Entscheidungsfindung schneller sein oder auch mal „unkonventionelle“ oder experimentelle Ideen umsetzen.

Spinnen wir den Faden weiter und denken an die Einbeziehung alternativer Produkte: Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Branche und Ihre Gäste aufgeschlossener und experimentierfreudiger sind als die traditionelle Gastronomie, etwa was Fleischalternativen wie Insektenburger angeht?

Wir merken schon, dass die Gäste einerseits aufgeschlossener sind und sich das Gästeverhalten einfach ändert. Es werden natürlich vegetarische oder vegane Alternativen nachgefragt und unsere Mitglieder haben diese auch im Angebot. Allerdings bewegen sich die Zahlen insgesamt doch (noch) in einem niedrigen Bereich. Nichtsdestotrotz bleibt es wichtig, diesen Zukunftsmarkt aufmerksam zu verfolgen und Chancen zu nutzen.

Wenn es um den absehbaren und nötigen Systemwechsel in der Agrarpolitik, Lebensmittelproduktion, Land- und Fleischwirtschaft geht: Könnten Sie sich angesichts der Marktmacht Ihrer Mitglieder vorstellen, verstärkt auf regional und dezentral erzeugte Lebensmittel zurückzugreifen, um die oben genannten Punkte wie Nachhaltigkeit oder Tierwohl zu gewährleisten?

Nachhaltigkeit, Tierwohl und Regionalität spielen bei unseren Mitgliedern schon lange eine große und wichtige Rolle. Die Gewohnheiten und Ansprüche der Gäste verändern sich stetig und dazu gehört eben auch, dass sie stärker auf die Herkunft und Nachhaltigkeit der Produkte achten. Es ist ganz klar, dass die Systemgastronomie hier ebenfalls ihren Beitrag leistet. Beispielsweise kommt 98 Prozent des Rindfleischs bei McDonald’s aus Deutschland, so wie übrigens über 60 Prozent aller Rohwaren. Burger King bezieht sein Rindfleisch aus Deutschland und der EU. Starbucks ist der größte Einkäufer von FairTrade-zertifiziertem Kaffee. Bei Nordsee kommen fast 90 Prozent der Fischrohwaren aus zertifizierten Beständen. Das sind nur einige Beispiele. Wir als Bundesverband stehen auf Verbandsebene im ständigen Austausch mit dem Bayerischen Bauernverband und tauschen uns zu den genannten Themen aus. Sie sehen: Unsere Mitglieder und auch wir als Bundesverband nehmen das Thema ernst.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Sehen Sie mittelfristig weiterhin ein Nebeneinander von Systemgastronomie und inhabergeführter Gastronomie oder erwarten Sie angesichts der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung, dass das Verhältnis zugunsten Ihrer Mitglieder kippt? Steht der BdS dann verstärkt in der Verantwortung für die oben angesprochenen Themen?

Ich glaube ganz fest daran, dass es für beide Gastronomieformen Platz und ein gewisses Miteinander gibt, da jeder auch vom anderen lernen kann. Das macht den Reiz aus. Unsere Mitglieder bieten qualitativ hochwertiges Essen und freundlichen Service an. Die vielen engagierten inhabergeführten Gastronomiebetriebe tun das ebenso. Ich sehe die Gastronomie nicht als Nullsummenspiel in der Form, dass der Eine nur gewinnt, wenn der Andere verliert. Gastronomie ist immer auch „Erleben“, es geht um schöne Abende mit Freunden, eine kurze Pause beim Mittagessen mit Kollegen und schlicht um eine gute Zeit. Diese gute Zeit bescheren die Systemgastronomie und unsere Mitglieder über vier Millionen Gästen jeden Tag.

Pizza-Teilen in der L’Osteria: Das beliebte italienische Gastro-Konzept ist Mitglied im BdS

Fotos: BdS; L’Osteria

Über den BdS

Der Bundesverband der Systemgastronomie e.V. (BdS) ist als Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband die umfassende Branchenvertretung der Systemgastronomie Deutschlands. Der BdS vereint die relevanten Player der Systemgastronomie, zu denen unter anderem die Marken Autogrill, Burger King, KFC, McDonald’s, NORDSEE, Pizza Hut, Starbucks, Vapiano, L’Osteria, aber auch neuere Konzepte wie beispielsweise GinYuu, Five Guys oder Meatery zählen. Die BdS-Mitgliedsmarken erwirtschafteten 2018 mit 120.000 Beschäftigten über 6 Milliarden Euro in rund 3.000 Standorten.

Der BdS ist ein Verband mit zwingender Tarifbindung für seine Mitgliedsrestaurants.

www.bundesverband-systemgastronomie.de