Rheinland-Pfalz: Ökolandbau stärken, Innovationen fördern

20 Prozent Ökolandbau bis zum Jahr 2030 – das ist die Bestrebung der Bundesregierung. Rheinland-Pfalz möchte dieses Ziel mittelfristig erreichen und setzt dabei unter anderem auf Öko-Aktionspläne. Wir sprachen mit Staatssekretär Dr. Ulrich Kleemann und Landwirtschaftsstaatssekretär Andy Becht über innovative Ansätze und praxistaugliche Lösungen für wichtige Zukunftsthemen. Von Kirsten Sulimma

Kennzeichen der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft ist ihre Kulturartenvielfalt. Hier dominieren mit zwei Dritteln des Produktionswertes die Sonderkulturen – allen voran der Weinbau. Aufgrund unterschiedlicher geografischer und sozioökonomischer Bedingungen haben sich in Rheinland-Pfalz drei charakteristische Agrarstandorte herausgebildet: Intensivstandorte der Sonderkulturen und des Ackerbaus, Standorte des Marktfruchtbaus und Flächen mit überwiegendem Futterbau.

Ökolandbau legt kräftig zu

Rund 35 Prozent der Fläche des Bundeslandes werden von ca. 17.500 Betrieben landwirtschaftlich genutzt. Mit anteilig 11,2 Prozent Flächenanteil hat der Ökolandbau zuletzt erheblich zugenommen und liegt über dem Bundesdurchschnitt von 9,7 Prozent. Etwa jeder zehnte landwirtschaftliche Betrieb in Rheinland-Pfalz wirtschaftet inzwischen ökologisch.
Die Zuständigkeiten sind zwischen Landwirtschaftsminister Dr. Volker Wissing (FDP) und Staatsministerin Anne Spiegel (Grüne), die zum Jahreswechsel auf Ulrike Höfken folgte und die für die Geschäftsbereiche Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten zuständig ist, aufgeteilt. „Mit unserer Wettbewerbs- und Innovationsoffensive für die Landwirtschaft und den Weinbau und unserer rheinland-pfälzischen Pionierarbeit beim Smart Farming haben wir bestmögliche Rahmenbedingen für die rheinland-pfälzischen Landwirtinnen und Landwirte geschaffen“, so Landwirtschaftsstaatssekretär Andy Becht.

Automat

Vier Best-Practice-Beispiele aus Rheinhessen – hier  etwa regionale Ökolandbau-Produkte aus dem Automaten

Desirée Schreiber

Désirée Schreiber in Klein-Winternheim bewirtschaftet den Bioland-Hühnerhof Bio-Pforte

Ökowein-Pionier Arndt F Wagner

Produkte der Bio-Pforte und weiterer ökologischer Erzeuger gibt’s in diesem Ladenlokal in der Mainzer Altstadt

Ökowein-Pionier Arndt F Wagner

Ökowein-Pionier Arndt F. Werner in Ingelheim betreibt bereits seit 1983 ökologischen Weinbau  Fotos (4): Rheinhessenwein e. V. / Cindy Albrecht

Öko-Aktionsplan gibt die Richtung vor

Um die Bemühungen zur Weiterentwicklung und Verbreitung des ökologischen Landbaus voranzutreiben, hat das Umweltministerium 2018 den ersten Öko-Aktionsplan für Rheinland-Pfalz vorgestellt. Mit ihm werden Maßnahmen und Initiativen gebündelt, die dazu dienen, die Strukturen der ökologischen Erzeugung, Verarbeitung sowie Vermarktung zu stärken und zu verbessern.

Die konkreten Ziele:
  • Steigerung des Ökolandbaus in Rheinland-Pfalz auf 20 Prozent
  • Steigerung der regionalen und überregionalen Nachfrage nach ökologisch erzeugten rheinland-pfälzischen Produkten
  • Steigerung des Angebots von ökologisch erzeugten Produkten aus Rheinland-Pfalz zur Erhöhung des
  • Selbstversorgungsgrades mit Bioprodukten

Als Handlungsfelder wurden festgelegt:

  • Stärkere Berücksichtigung des Öko-Landbaus in der landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung
  • Öko-Landbau und ökologische Tierhaltung durch Versuchswesen, Beratung, Digitalisierung und Weiterentwicklung der Produktionstechnik stärken
  • Honorierung der umweltbezogenen und gesellschaftlichen Leistungen des Ökologischen Landbaus
  • Stärkung und Ausbau der regionalen Wertschöpfungsketten für ökologische Produkte

Ende 2020 veröffentlichte das Umweltministerium den zweiten Öko-Aktionsplan für Rheinland-Pfalz, welcher die Vorgaben des ersten überprüft, angepasst und weiterentwickelt hat. Zum Beispiel soll innerhalb des Projektes „Partnerbetrieb Tierschutz Rheinland-Pfalz“ die Vorreiterrolle des Öko-Landbaus im Bereich der Tierhaltung fokussiert werden und eine landeseigene, staatlich überwachte Zertifizierung insbesondere die regionale Vermarktung unterstützen. Der Plan fördert aber zum Beispiel auch Kita- und Schulträger mit Beratungsangeboten dabei, den Bio-Anteil in ihrem Verpflegungsangebot stufenweise auf 30 Prozent zu erhöhen und den Anteil von Produkten aus der Region auf 50 Prozent auszubauen.

„Klar ist: Öko-Landbau nutzt dem Gemeinwohl. Nach Forschungsergebnissen des Thünen-Instituts werden bei ökologisch bewirtschafteten Flächen die Gewässer und Böden geschont. Der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und die flächengebundene Tierhaltung schützen Natur und Insekten. Zudem kann der Öko-Landbau eine Antwort auf die Herausforderung der Klimaveränderung sein“, erklärt Staatssekretär Dr. Ulrich Kleemann.

Entwicklungsprogramm schafft positive Impulse

Ein weiterer Ansatz des Bundeslandes, um praxistaugliche Lösungen für wichtige Zukunftsthemen im konventionellen wie ökologischen Landbau zu finden, ist das Entwicklungsprogramm „EULLE“. Es wird vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Zusammenarbeit mit allen anderen betroffenen Ministerien entwickelt und umgesetzt und bildet ein Kernstück der Förderung des ländlichen Raums in Rheinland-Pfalz.

Das Programm beruht auf drei thematischen Säulen:

  • Maßnahmen zum Umwelt-, Klima- und Tierschutz, Förderung von Vertragsnaturschutzmaßnahmen oder landwirtschaftlichen Extensivierungsmaßnahmen, insbesondere im Bereich des konventionellen Landbaus, sowie die Förderung des ökologischen Landbaus
  • Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe auf den regionalen und globalen Märkten, einschließlich der Verbesserung des Tierwohls, zur Einkommensdiversifizierung und zur Stärkung der Direktvermarktung
  • vielfältige Maßnahmen zur Intensivierung der Bürgerbeteiligung bei Projekten zur Entwicklung des ländlichen Raums

Die Europäische Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP-Agri) ist eine von zehn Fördermöglichkeiten des Programms. Beim letzten Förderaufruf haben sich insgesamt acht innovative Projekte durchgesetzt wie etwa Künstliche Intelligenz beim Rebschnitt, eine innovative Direktsaattechnik oder ein Verbundsystem für Kompostierung.

Dr. Ulrich Kleemann

Dr. Ulrich Kleemann ist Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz (Foto: MUEEF/Heike Rost)
mueef.rlp.de

Andy Becht

Andy Becht ist Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz (Foto: MWVLW/Jan Hosan)
mwvlw.rlp.de

Herr Becht, können Sie uns anhand dieser drei Beispiele erklären, welche Vorteile diese Innovationen, auch für den Ökolandbau, mit sich bringen?

Andy Becht: Wir wollen, dass unsere Landwirte ihre Höfe auch in Zukunft auskömmlich bewirtschaften können und regionale Lebensmittel erzeugen. Mit unseren Innovationsvorhaben unterstützten wir sie dabei, indem wir innovative Methoden entwickeln, die die Bewirtschaftung für den Landwirt erleichtern, sie umweltschonender und effizienter machen – das gilt für konventionell wie ökologisch wirtschaftende Betriebe. Unsere Innovationsprojekte kommen allen Landwirtinnen und Landwirten zugute.

Landwirtschaft ist zu großen Teilen immer noch schwere körperliche Arbeit, und an die Landwirtinnen und Landwirte werden zunehmend gesellschaftliche Bedürfnisse nach mehr Umwelt- und Tierschutz herangetragen. Smart Farming ist hier der Schlüssel – damit können unsere Landwirtinnen und Landwirte ihre Betriebe einfacher, umweltschonender und kosteneffizienter führen.

Wie könnte Smart Farming im Weinbau funktionieren?

Nehmen wir das EIP-Vorhaben KI-Rebschnitt. Der Rebschnitt ist eine der kompliziertesten, aufwändigsten, teuersten und kritischsten Arbeiten für Winzer. Er ist entscheidend für die jährliche Erntemenge und -qualität, aber auch für die langfristige Entwicklung jedes Weinbergs. Um Fehler im Rebschnitt zu vermeiden, werden diese Arbeiten bis heute vornehmlich manuell und von erfahrenem Fachpersonal bzw. dem Winzer selbst ausgeführt.

Mit dem auf Künstlicher Intelligenz aufbauenden „sanften Rebschnitt“ besteht die Möglichkeit, diese Arbeiten einfacher, pflanzenschonender, kostenärmer und damit insgesamt effizienter auszuführen. Eine digital gesteuerte Führung (siehe großes Foto oben) macht den Rebschnitt präziser, vermeidet unnötige Schnittwunden an der Pflanze und steigert so die Langlebigkeit der Rebanlagen. Auch das ist von großer Bedeutung für die nachhaltige Bewirtschaftung des Weinbergs. Je länger die Rebanlagen stehen, um so tiefere Wurzeln schlagen sie und werden dadurch langlebiger und robuster. Das ist ein unschätzbarer Vorteil für eine nachhaltige Bewirtschaftung unter sich verändernden Witterungsbedingungen – für konventionelle wie ökologisch wirtschaftende Betriebe. Viele Winzer setzen zudem in der Vermarktung bewusst auf Weine aus „Alten Reben“.

Auch weitere innovative Projekte verfolgen spannende Ansätze. Was hat es etwa mit der Kompostierung oder der Direktsaat auf sich?

In dem EIP-Vorhaben VELKO soll ein überbetriebliches Verbundsystem für die dezentrale landwirtschaftliche Kompostierung erprobt werden. Insgesamt sind fünf landwirtschaftliche Betriebe in den Regionen Pfalz und Rheinhessen sowie das DLR in Bad Kreuznach mit dem KÖL und die Universität Stuttgart an dem Vorhaben beteiligt. Ein solches Kompostsystem landwirtschaftlicher Reststoffe könnte helfen, geschlossene Stoffkreisläufe auf den Höfen zu etablieren. Nährstoffe würden im Wirtschaftskreislauf effizient eingesetzt, der landwirtschaftliche Betrieb somit ressourcenschonender und effizienter wirtschaften. Das Vorhaben soll als Modellprojekt über die Region hinaus wirken und weitere Landwirtschaftsbetriebe, die eine nachhaltige Wirtschaftsweise anstreben, motivieren, eigene Projekte zu realisieren.

Mit dem EIP-Vorhaben Regenerativer Pflanzenbau wird ein neuer Ansatz des regenerativen Pflanzenbaus in einer produktiven, aber trocken-warmen Ackerbauregion (Rheinhessen) erprobt. Ein Ziel der Regenerativen Landwirtschaft besteht ja darin, einen Teil des Kohlenstoffs, den Pflanzen über CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben, zur Sicherung des organischen Kohlenstoffgehaltes im Boden zu nutzen. Deshalb werden die Ackerbausysteme durch zwei integrierte Ansätze weiterentwickelt: die Fruchtfolge und die Brache. Sowohl die Begrünungen als auch die folgende Kultur werden ohne vorherige Bodenbearbeitung direkt gesät (Direktsaat). Durch die permanente Bedeckung und die ausbleibende Störung des Bodens durch Bearbeitungsgänge wird der Boden geschont.

Das zu erprobende Verfahren könnte dazu beitragen, dass landwirtschaftliche Betriebe ihre Wirtschaftsweise besser an den Klimawandel anpassen können und beispielsweise auch bei zunehmend häufiger auftretenden extremen Wetterereignissen wie etwa Starkregenereignissen oder langen Trockenperioden dennoch gute Erträge erwirtschaften können.

Herr Dr. Kleemann, eine Umstellung zum Öko-Betrieb ist für die Landwirte mitunter ein langwieriger Prozess mit einigen Herausforderungen. Mit welchen Argumenten können Sie sie überzeugen?

Dr. Ulrich Kleemann: Ökologisch wirtschaftende Betriebe profitieren aktuell von der Förderung, positiven Marktaussichten und vielfach von höheren Erlösen. Vor allem spricht insbesondere auch die grundsätzliche Zielsetzung einer umweltfreundlichen, ressourcenschonenden und tierwohlorientierten Bewirtschaftung für einen Einstieg in den ökologischen Landbau.
Für die Umstellung auf den ökologischen Landbau wird ein gänzlich neues Betriebskonzept benötigt. Daher sollte die Entscheidung zur Umstellung individuell und unter Beachtung der betrieblichen Gegebenheiten getroffen werden. Dabei spielen vielfach auch persönliche Erfahrungen und geänderte Einstellungen zu landwirtschaftlichen Bewirtschaftungspraktiken eine Rolle. Die Entscheidung sollte dabei langfristig tragfähig sein. Um Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter bei dieser Entscheidung zu unterstützen, bietet das Land Rheinland-Pfalz Beratungsmöglichkeiten an.

Herr Becht, welche Bedeutung messen Sie zukünftig der Digitalisierung der Landwirtschaft bei?

Andy Becht: Die Digitalisierung und das Precision Farming sind der Schlüssel für eine resiliente und ressourcenschonende Landwirtschaft. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir mit der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz heute die technologischen Möglichkeiten haben, um die landwirtschaftliche Produktion ressourcenschonender und effizienter zu machen.

Rheinland-Pfalz ist hier Vorreiter und hat die GeoBox entwickelt, die für Landwirte bundesweit Anwendung finden soll. Mit Hilfe der GeoBox werden den Landwirten wichtige Daten kombiniert zur Verfügung gestellt. So können bspw. mit Wetterdaten der voll digitalisierten rheinland-pfälzischen Agrarmeteorologie zeit- und ortsgenaue Prognosen zum Auftreten von Schaderregern getroffen werden. Aufbauend auf diesen Prognosen erfolgen Empfehlungen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, beispielsweise von Kupferpräparaten gegen Peronospora im Öko-Weinbau.

Precision Farming trägt insbesondere im Pflanzenschutz und bei der Düngung zur erheblichen Verbesserung bei der Bewirtschaftung der Äcker bei. Das betrifft Umweltbelange ebenso wie Kosteneffizienz. Und – einmal etabliert – erspart die schlagweise und automatisierte Erfassung vielfältiger Daten auch Büroarbeit und aufwändige Dokumentation von Hand.

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